Donnerstag, 2. September 2010

Kafka, die Zweite! - Autofahren

Ich weiss nicht ob sich noch jemand erinnert, aber letztes Jahr um diese Zeit habe ich einen Blogpost veröffentlicht, in dem ich die gewagte (wirklich?) These aufgestellt habe, dass wenn sich jemand die Bürokratie Brasiliens geplant und ausgedacht hat, dann müsse das wohl Kafka höchst persönlich gewesen sein. Damals ging es um einen Fernseher, heute geht es um mein Auto und meinen Führerschein.

In Deutschland läuft ein Führerschein ja erstmal gar nicht ab. Es ist ja nicht mal ein wiederholter Sehtest in hohem Alter vorgeschrieben, wobei das ja womöglich sogar noch sinnvoll wäre. Hier läuft der Führerschein, je nach Status des Inhabers, nach ein bis ein paar Jahren (mehr oder weniger willkürlich gewählt) ab und muss für viel Geld (Papierkram, Tests, und Co.) verlängert werden.
Ich hatte bisher ein kleines Papierchen aus Sao Paulo welches besagt ich dürfe mit meinem Deutschen Führerschein Autofahren. Dies zu bekommen war kein Akt: Übersetzung des Führerscheins einreichen, Schnipsel abholen, fertig. Der war ein halbes Jahr gültig und wurde daher im Dezember, in Sao Paulo, ohne Probleme verlängert. Was schloss ich daraus? Dass ich im Juni wieder nach Sao Paulo fahre und wieder ohne Probleme verlängere. Doch weit gefehlt! So bekam ich also am Abend vor meinem Termin (der, wie passend, am vorletzten Tag des Ablaufdatums lag) eine e-mail die besagte dass das ja alles so gar nicht richtig sei, denn ich sei ja nun schon ein Jahr in Brasilien, und wenn man ein Jahr da ist, braucht man den brasilianische (Original-)Führerschein und den bekäme ich nicht in Sao Paulo sondern in Goiânia, wo ich nun mal wohne. Gut, das ist ja erstmal nicht so schlimm. Dachte ich. Aber dann wurde mir der Prozess (am Telefon) erklärt:

1.) Dokumente sammeln. Da die Systeme der Verkehrsämter nicht verbunden sind, sind die Dokumente die ich in Sao Paulo abgegeben habe nicht in Goiânia im System. Ich muss also alles neu einhändigen. Legalisierte Kopien von Pass, brasilianischer ID, Steuernummer, Führerschein und Co. Sowie eine notariell beglaubigte Übersetzung meines Führerscheins. Die Übersetzung, so wusste ich, existierte schon in der Personalabteilung in Sao Paulo, also habe ich die Praktikantin in der Abteilung für Expats angerufen und sie gebeten es mir mit dem „Malote“ (wörtlich Köfferchen, einer Tasche die morgens von Sao Paulo mit dem ersten Flug nach Goiânia kommt, und abends mit dem letzten wieder zurück fliegt) schicken, damit es am nächsten Morgen da ist. Die Gute hat es dummerweise in der Post eingetütet, so dass es erstmal ne Woche dauerte.
2.) Dokumente beim Verkehrsamt vorlegen. Klingt einfach, isses aber nicht. Nach einigem Fragen saß ich endlich in einem Raum mit vielen Wartenden, ein Nümmerchen in der Hand. Als ich endlich dran war, sagt mir die nette Dame ich sei leider falsch. Hier könnte ich den Führerschein nur beantragen. Dazu müsste aber zunächst ein Prozess gestartet und meine Dokumente akzeptiert werden. Zunächst wurde ich also in ein kleines Büro geschickt, wo jemand anhand der selben Liste die ich mir per Telefon besorgt hatte eins zu eins raussuchte ob ich auch alle Kopien habe. Ich nehme an dass ist so was wie bei uns der schlechteste 1-Euro Job. Danach wurde ich in ein Büro geschickt wo ich den Prozess starten solle. Ich bekam ein Blatt wo ich brav noch mal alle Informationen die auf meinen Kopien sind eintragen sollte, um dann abzuzeichnen dass ich alle Kopien beigelegt habe. Das gab ich dann einer netten Sekretärin, die mich fragte ob ich schon beim Typ nebenan war und auch alle Kopien hätte die er auf der Liste hätte. Ich bejahte dies und sie „startete meinen Prozess“. Das heisst zu Deutsch: Sie hat alle meine Kopien und den Fragebogen lieblos zusammen getackert, ein Label mit meinem Namen und einer 6-stelligen Nummer ausgedruckt, dieses draufgeklebt, ein zweites Label gedruckt, auf einen post-it Zettel geklebt und mir als „Prozess Protokoll“ in die Hand gedrückt. In etwa einer Woche (zu Deutsch: eher mehr, vielleicht zwei, schauen wir mal, nix genaues weiss man nicht) könne ich die Service Nummer anrufen und fragen ob meine Dokumente akzeptiert seien.
So weit bin ich bis jetzt. Es ist noch nichts akzeptiert… Aber immerhin hat sich jetzt mal die Service Firma gemeldet, die von Bayer bezahlt wird um mir bei so was zu helfen. Denen hab ich erstmal erzählt dass ich 3 Wochen nach meiner Anfrage keine Hilfe mehr brauche, da ich dass schneller und billiger allein hinkriege. Das sind die natürlich nicht gewohnt gewesen und haben sich entschuldigt, waren aber offensichtlich beleidigt. Mir egal, mit denen hat ich eh immer nur Ärger.
3.) Sobald dann aber (vielleicht, oder auch nicht) meine Kopien als echt und für gut befunden werden, kann ich mir einen neuen Zettel abholen. Damit kann ich dann zum Sehtest (mal schaun wie ich da durchkommen soll… da werden beide Augen auch einzeln getestet. Prost Mahlzeit). Nach dem Sehtest muss ich zum Psychologischen Test. Dann muss ich auf die Dokumente warten. Dann eine Nummer ziehen, die Dokumente einreichen, und hoffentlich endlich den Führerschein beantragen. Dann wieder warten. Achso, bezahlen muss man natürlich noch vorher. Jeden Test einzeln und dann noch die Beantragung. Passender Weise gibt es Geldautomaten von allen großen Banken, denn man kann nur Cash bezahlen (womöglich auch dadurch zu erklären dass die Preise je nach Person und deren Gefallen am Antragssteller die Preise zum schwanken bringen). Dann aber wirklich wieder warten. Wie lange weiss ich nicht. Will mir auch gar keiner erzählen.
4.) Dann muss ich wieder zum Verkehrsamt und ein Foto machen (muss man speziell da machen und natürlich auch sofort Cash bezahlen). Das schicke Portrait wird dann auf einen leicht zu fälschenden grünen Wisch geklebt, der eine Woche Gültigkeit hat. Es ist der vorläufige Führerschein.
5.) Eine Woche später (Mehr oder weniger. Eher mehr.) kann man dann den richtigen Führerschein abholen: Ein leicht zu fälschender grüner Wisch, aber nicht mit aufgeklebtem sondern mit aufgedrucktem Foto und irgendeinem Siegel. Das ist dann mein brasilianischer Führerschein. Bei Ausländern hat er etwa 1-3 Jahre Gültigkeit (entweder bis Ende Juli, oder Ende Dezember), kommt auch ein bisschen auf das Visum an. Da meins im Juni 2011 ausläuft, reicht das womöglich nicht mehr für einen Führerschein bis Juli 2011 (Dezember schon mal gar nicht). Dann fängt der Quatsch für mich wenn’s schief läuft schon im Dezember wieder von vorne an, aber ich hab Hoffnung dass das doch irgendwie anders läuft. Denn nur weil das so Vorschrift ist, heißt das ja noch lange nicht dass es auch so sein wird. Wir werden sehen.

Ist aber ja alles nicht so schlimm, denn: Autofahren kann ich im Moment eh nicht. Mein Auto ist in der Reparatur. Der Anschnallgurt ist kaputt (geht nicht mehr vor noch zurück) und muss ausgetauscht werden. Da es sich um eine Spätfolge des Unfalls handelt, muss die Versicherung das zahlen. Diese brauchte aber erstmal 4 Tage um den Anspruch auf Reparatur zu klären. Als sie dies dann endlich getan hat, sagt mir der gute Mann von der Werkstatt: Oh, ja dann muss ich jetzt mal gucken ob wir den Gurt überhaupt haben. SERIOUSLY? Das hätte der nicht schon am Montag machen können, als ich ihm meinen VW vorbei gebracht habe? Kommt aber noch besser: Der Gurt für meinen „Parati“ (vergleichbar mit einem älteren Passat und hier absolut KEIN seltenes Auto) ist im Moment bei der ganzen Werkstattkette nicht zu haben und muss erstmal bestellt werden. Dauert wohl so 7 Tage.
Heute rief ich daraufhin wieder an, ob der Gurt denn dann auch morgen da sei und ich mein Auto eventuell am Freitagmorgen abholen könnte. Nein, der Gurt sei noch nicht da und überhaupt hätte die Versicherung ja den Anspruch noch gar nicht geklärt (doch, doch, hatte sie) oder dieser sei noch nicht angekommen.
Die Versicherung hat daraufhin heute alles noch mal geschickt, und mir eine Prozess Nummer geben und es mir in Kopie geschickt. So wurde es mir zu Mindest am Telefon gesagt. Bisher ist bei mir noch nichts angekommen, und auch wann der Gurt erhältlich sei (er sei nirgends auf Lager, die 7 Tage beziehen sich von „Auf Lager“ bis „In Goiania“).

Mensch, ein Sicherheitsgurt! In einer riesigen Werkstatt die ständig Unfallautos repariert! Das kann doch nicht so kompliziert sein! Und wieso kann der Typ nicht selbst mal bei der Versicherung nachhaken, wenn die Kommunikation zwischen deren Systemen nicht klappt?

Wie gut dass ich am Freitag erstmal eine Woche Urlaub hab. Ich hab schon schlecht geträumt letzte Nacht vor lauter Bürokratie und für andere deren Arbeit organisieren. Aber dazu ein andermal mehr.

2 Kommentare:

  1. Hehe, je länger man in Brasiland ist, umso mehr verzweifelt man an diesen Dingen, was? Kannst Du Dir nicht in D einen internationalen Führerschein besorgen? Der ist zwei Jahre gültig und muss alle 6 Monate von der DETRAN beglaubigt werden. Kostet Geld und Zeit, hat bei mir aber immer die Personalabteilung gemacht. Ich hatte Null Stress ;-)

    Hier in D läuft es auch nicht immer so 100%ig organisiert. Eine brasilianische Freundin von mir hatte einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung gestellt. Als sie nach über 2 Monaten das Visum in SP abholen wollte (also extra aus D eingeflogen war), musste sie feststellen, dass der Antrag seit 2 Monaten bei einer Bürokratentante in Berlin auf dem Tisch lag, die nicht für ihren Prozess zuständig war, die Unterlagen aber auch nicht weitergeleitet hatte. Sie hatte dann noch 10 Tage, um mit Hilfe eines Anwalts alles irgendwie doch noch zu regeln. Hat dann zum Glück auch noch geklappt, sonst hätte sie unser schönes Land erstmal wieder verlassen müssen...

    Ach, zum Thema Ersatzteile habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht: Ich habe 7 (!) Monate auf ein Ersatzteil für meine Waschmaschine gewartet. Als ich dann nicht innerhalb einer Woche bestätigen wollte, ob ich das Teil noch brauche oder nicht, wurde die Dame vom Bosch-Kundenservice fast etwas unfreundlich ;-)

    That's Brazil! Jedenfalls die Zum-Haare-Raufen-Seite, gibt ja auch viel Schönes.

    Beijos
    Susi

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  2. Hahaha, nee :) Das stimmt.
    Bei mir wäre auch eigentlich die Personalabteilung zuständig, allerdings muss ich den Führerschein in Sao Paulo machen lassen und daher mir alles selbst zusammen suchen, weil hier wieder alles anders ist und so ;) Ach mich stört das auch nicht wirklich. Es sind nur die schönen Anekdoten des brasilianischen Chaos :D
    In Deutschland würde ich mich echt ärgern... hier denk ich mir: Achja, Brasilien. Dann lach ich und schreibe einen Blogpost :D

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