Freitag, 22. Oktober 2010

Teil 4: Ja sind wir hier an der Nordsee?

(Teil 1, 2 & 3 wurden in den letzten Tagen veröffentlicht. Der Text sollte in der richtigen Reihenfolge gelesen werden.)

Nach einem kurzen Stint in der American Express Lounge (wir mussten schon wieder über Sao Paulo Guarulhos fliegen), saßen wir endlich im Flieger nach Florianópolis. Wir waren nicht allein. Also, natürlich ist man selten in einem Linienflug alleine, aber diesmal war es voll, und laut, ein Fotograf mit einer dieser beigen Kriegsreporter Westen ließ mit seinem Blitzlichtgewitter das Flugzeug erleuchten und die Kofferablagen waren gefüllt mit Kistenweise Wodka und Johnny Walker. Wir saßen in der Mitte eines Fußballteams.
Wie ich später durch Google herausfand ist der FC Avaí, Fußball Club der Stadt Florianópolis, Erstligist in Brasilien und hatte am Vortag ein Spiel gegen den Verein von Quayaquil, Ecuador. Bis dahin hatte ich aber erstmal viel Freude dabei den Jungs zuzuhören. Es hat keine 5 Minuten gedauert bis sie bemerkten dass wir keine Brasilianer sind und eine andere Sprache sprechen, so dass sie freimütig von „all den schönen Mädchen“ sprachen die sie in Ecuador kennen gelernt hatten, während sie auf einem der Klapptischchen Karten spielten: „Wenn die 'nen richtigen Mann gewollt hätte, hätte die jawohl mich genommen und nicht unseren Zwerg… Die blöde Kuh.“, sprach einer enttäuscht und rückte noch einmal sein verdrehtes und bloß locker auf dem Kopf aufliegendes Baseball Cap gerade.

Nur wenig später waren wir gelandet und holten unseren bei Avis reservierten Mietwagen ab. Zur Sicherheit haben wir noch sämtliche Versicherungen dazu gekauft… Unsere Pousada [Puh-sada; etwa eine Pension] lag nicht weit weg vom Flughafen am Atlantikstrand Campeche und dank einer genauen Wegbeschreibung die mir von einer Mitarbeiterinnen der Pousada „Natur Campeche“ geschickt worden war haben wir sie auch schnell gefunden. Mal wieder war ein ganzer Tag mit Reisen vertan worden, also bezogen wir unsere Zimmer und gingen zum Abendessen in ein Sushi Restaurant in der Nähe, sehr zur Freude meines Vaters.

Am nächsten Tag nach dem Frühstück, bei welchem die Köchin für meine Mutter auf Anfrage ihr erstes weich gekochtes Ei zubereitete, bezogen meine Eltern noch schnell ein anderes Zimmer. Ich hatte eigentlich die Mittelkategorie bestellt (oder bestellen wollen… bin mir nicht mehr sicher), aber sie waren in einem einfachen Zimmer gelandet was für eine Woche dann doch zu eng gewesen wäre.
Danach ging es zum Strand. Bis dorthin sind es nur 50m, eigentlich perfekt, wäre da nicht das Wetter gewesen. Es war bewölkt und windig und für meinen, an 35°C gewöhnten, Körper auch recht kühl. Es hatte ein bisschen was von Nordsee im April. So hatten wir das nicht geplant. Anstelle also faul am Strand rum zu liegen und zu lesen nahmen wir unser Autochen und machten eine Inseltour. Von unserem Dorf zur Stadt Florianópolis und von dort an allen Dörfern und Stränden vorbei bis zur touristisch geprägten und vor Villen nur so strotzenden Nordspitze und dann an dem Inseleigenen großen Binnensee „Lagos da Conceição“ vorbei wieder zurück. Unterwegs haben wir ein paar Mal für Spaziergänge und Kaffee angehalten und haben somit viel gesehen und einen schönen, wenn auch kühlen, Tag verbracht. Wieder in der Pousada haben wir uns den Jacuzzi anstellen lassen (welcher wegen des kühlen Wetters allerdings eine gute Stunde zum aufwärmen brauchte). Während es meiner Mutter für baden zu kalt war, haben mein Vater und ich uns in das bald sehr warme sprudelnde Wasser gesetzt und gequatscht.

Zum Abendessen sind wir auf das die dem Festland zugewandte Seite der Südspitze in das Dorf Ribeirão da Ilha gefahren um dort wo die ersten Siedler auf Florianópolis ankamen Austern und Fisch zu essen. Die Austernzucht und die dazugehörigen Gastronomiebetriebe machen das Dorf für Touristen attraktiv und da wir alle gern Fisch, und mein Vater im Speziellen gern Austern, essen, besuchten wir das von unsere Pousada empfohlene Restaurant „Porto de Contrato“ mit Tischen direkt am Wasser.
Zur Vorspeise gab es für meinen Vater eine „Sequencia de Ostras“, also quasi eine Austernplatte mit 24 Austern in verschiedenen Zubereitungsarten (von jeder 2). Angefangen vom Shotglas mit Auster in Tomatensaft über die klassischen rohen oder auch gratinierten Austern bis hin zu Austern mit Basilikum oder Kokosnussmilch war alles dabei. Mama und ich haben uns Gambas mit Knobi geteilt (das war gut so, die Portion war sehr groß) aber auch bei den Austern mit gegessen. Die klassischen, rohen Austern mit Zitrone waren nach Ansicht meines Vaters nach wie vor die besten, worauf er bevor die Hauptspeise kam noch mal 6 rohe nachbestellte.
Für den Hauptgang hatte ich mir gewünscht mit meiner Mutter eine Moqueca, einen klassischen Fischeintopf mit Kokosmilch, Paprika, Dendê Öl und festem Fisch im Tontopf, zu teilen, da es die nur für zwei Personen gab. Die Idee gefiel ihr, und da wir ahnten dass schon die Sequencia de Ostras Papa ziemlich satt machen würde beschlossen wir dass der Eintopf auch für uns drei zusammen reichen würde. Eine gute Wahl denn der Fischtopf war riesig und wurde mit einem kleinen Salat, Reis, Farofa [Fa-„raw“-fa, geröstetes Maniokmehl] und Co. serviert. Dazu hatten Mama und ich noch ein frisch gezapftes „Eisenbahn Pils“, das einzige brasilianische Bier das nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wird und aus der südbrasilianischen Stadt Blumenau stammt, wo dieser Tage kräftig Oktoberfest gefeiert wird. Wir waren alle pappsatt.

Am nächsten Tag hatten wir etwas mehr Glück mit dem Wetter. Wir verbrachten den Vormittag am Strand und als die Wolken aufzogen machten wir uns auf den Weg die Südspitze der Insel zu erkunden. Natürlich nicht ohne für eine Kokosnuss anzuhalten, die es an einem Kliff mit Blick auf den tobenden Atlantik gab.
Am Abend machten wir einen Spaziergang durch das Städtchen am Binnensee Lagoa und suchten uns ein Restaurant wo es für meinen Vater noch mal Austern gab und dann leckere Linguado (Scholle oder auch Flunder) aus dem Südatlantik. Trotz leicht gekippter Stimmung da es, wie lokal üblich, anscheinend nur überbackene und in Sauce schwimmende gegrillte Fische gab, konnte ich meinen Vater am Ende doch davon Überzeugen dass man im eher Serviceorientierten Brasilien alles so haben kann wie man will, woraufhin ich im eine schönes, gegrilltes Filet der Linguado bestellte, mit der Kräutersauce extra serviert so dass er sie probieren konnte aber der Fisch garantiert nicht mehr schwamm oder gar ersauf. So waren am Ende alle glücklich.

Am Tag darauf war auch schon wieder Sonntag. Ich verbrachte den Vormittag mit meiner Mama am Strand während mein Vater nach all dem Eiweiß und Eisen aus Austern und Fisch der letzten drei Tage leider etwas litt und lieber am Pool im Schatten blieb.
Nachmittags ging mein Flieger via Sao Paulo Congonhas zurück nach Goiânia, wo ich um 21h ankam.

Heute ist schon Dienstag und ich arbeite die Woche während meine Eltern noch ein paar Tage Florianópolis und seine Strände genießen. Das Wetter müsste dort jetzt durchweg sonnig sein. Am Donnerstag geht es für die beiden nach Rio de Janeiro weiter, wo ich am Freitagabend auch hinfliegen werde.
Wir werden dort noch einen schönen Freitagabend und Samstag verbringen bevor sie um 23h Samstagabend in den Flieger Richtung Paris Charles de Gaulle steigen und am Sonntagnachmittag wieder zu Hause in Leverkusen sind. Ich fliege dann um 23:30h vom selben Flughafen nach Hause nach Goiânia um den Sonntag zu genießen. Aber davon dann mehr, wenn es soweit ist.

(Fotos folgen bald. Die hat alle meine Mutter.)

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Teil 3: Das Abenteuer geht weiter!

(In den letzten beiden Tagen wurden Teil 1 & 2 veröffentlicht. Diese sollten zuerst gelesen werden.)

Am nächsten Tag reisten wir schon wieder weiter. Gepackt, ausgecheckt und gefrühstückt, hatten wir die Idee uns noch den Itaipú Damm anzuschauen. Das größte Wasserkraftwerk der Welt versorgt, laut Lonelyplanet, Paraguay mit 100% und Brasilien mit immerhin 25% der von den Ländern jeweils gebrauchten jährlichen Energie. Was ein echter Ingenieur ist, wie mein Papa, kann ja nicht nach Hause fahren ohne nicht da gewesen zu sein… Ich war mit mir selbst nicht einig darüber, ob es eine gute Idee sei die Koffer im Taxi zu lassen während wir den Damm besichtigen, aber am Taxistand war uns versichert worden dass dies quasi eine Standardtour ist und dann der Taxifahrer vor dem Eingang wartet bis wir wieder da sind und uns dann zum Flughafen fährt.
Mein Vater besorgte uns also einen Taxifahrer, wir luden die Koffer ein, und ab ging die Post. Es dauerte keine 20 Minuten bis der brasilianische Taxifahrer jegliche Sympathie verspielt hatte. Mein Vater fragte ihn, warum sein Renault Mégane (BJ 2007) nach nur 3 Jahren schon 250.000km gefahren sei. Er würde häufig Passagiere nach Buenos Aires fahren (das sind rund 1300km für eine Strecke), denn es kämen über Paraguay so viele Chinesen ohne Papiere nach Argentinien und die wollten in die Stadt. „Human Trafficking, verstehst Du? Die zahlen gut.“ Ich konnte gar nicht glauben was ich da grade gehört hatte, aber ich sagte nichts, denn ich war mir sicher dass weder meine Mutter noch mein Vater die Worte „Tráfico Humano“ herausgehört hatten.

Die Grenzüberquerung nach Brasilien verlief ziemlich ohne Probleme, auch wenn die Dame am Schalter meinen brasilianischen „Ausländer-Personalausweis“ noch nie gesehen hatte und sich deshalb nicht sicher war was sie damit anfange (und wie zum Henker sie mich eintragen) solle. Am Ende wurde ihr aber geholfen und dann war alles gut.
Statt rechts zum Flughafen bogen wir linksrum zum Staudamm ab. Dort angekommen mussten wir feststellen, dass man sich den Staudamm leider nicht allein anschauen kann. Es gibt organisierte, anderthalbstündige Busfahrten mit Filmvorführung und diese hätte zu lange gedauert, dann hätten wir unseren Flug verpasst.
Damit wir nicht gänzlich uninformiert wieder abfahren mussten, durften wir in den Vorraum des Kinos um uns die Fotos und Modelle anzuschauen. Unser Taxifahrer wartete draußen. Als wir 10 Minuten später wieder raus kamen (so viel gab es nun wirklich nicht zu sehen) war das Taxi weg. Es wartete nicht, es war nicht auf dem Parkplatz, es war wie vom Erdboden verschluckt. Weggefahren. Mit unseren Koffern.

Selten war ich so sauer in meinem Leben wie in diesem Moment. Die Wut überkam mich so dermaßen, dass ich die schönen Broschüren mit Fotos einer Ausstellung über Brasilien mit voller Wucht auf den Boden knallte. Ich bin eigentlich kein jähzorniger Mensch, aber über unsere eigene Blödheit aufgeregt brannten bei mir die Sicherungen durch. Ich fuhr meinen Vater an, dass dies ja wohl eine Scheißidee gewesen sei und stiefelte los zum Wachpersonal. Meine Mutter konnte es nicht glauben, und mein Vater blieb (obwohl eigentlich er derjenige ist der sich schnell mal ärgert) sehr gelassen, als belächle er die Situation aus Ansicht eines Dritten, amüsiert auf den „ältesten Trick der Welt hereingefallen zu sein“. Er fragte bei ein paar Ticketverkäufern rum, aber keiner hatte das Taxi gesehen. „Ha! Dann nehm’ ich ein Taxi zurück nach Argentinien. Den find ich den Kerl…“ sagte mein Vater. Zum Glück hatten wir alles wichtige, Pässe und Geld, in unseren Rucksäcken, aber dennoch schwankte ich zwischen blinder Wut und Ungläubigkeit.
Angekommen beim Wachpersonal am Eingang zum Damm sprudelte mein Portugiesisch aus mir heraus als hätte ich nie eine andere Sprache gesprochen. Ich erklärte unseren Verdacht und der Wachmann rief einen Grenzbeamten namens Oliveira an der Grenze nach Argentinien an. Dort käme er nicht durch, es würden nun alle schwarzen Méganes angehalten, aber sollte er über die Brücke nach Paraguay fahren dann hätten wir wohl Pech. Ein paar Minuten später, es erschien mir wie Stunden, kam einer der Ticketverkäufer zu uns rüber. Das sei noch nie passiert, versicherte er meinem Vater in gebrochenem Englisch, er wäre bestimmt nur etwas essen gegangen, dass machten die meisten Taxifahrer so wenn sie warten. Ich glaubte ihm nicht, dass dies noch nie passiert sei, dafür wusste der Wachmann viel zu genau mit wem er reden musste und was zu tun war… aber es gab ein bisschen Hoffnung.
10 Minuten später tauchte unser Taxifahrer tatsächlich wieder auf. Meine Wut verblasste etwas, aber ich war immer noch sauer. Der Wachmann rief wieder bei den Grenzbeamten an um alles okay zu melden, ermahnte mich aber sicher zu gehen dass noch alles in den Koffern ist. Es wäre nicht neu, wenn etwas Wertvolles rausgenommen worden wäre. Zum Glück war nichts rausgenommen worden, aber ich fauchte den Taxifahrer trotzdem an dass er nicht einfach ne viertel Stunde abhauen könnte ohne uns Bescheid zu sagen, zumal wie nur kurz die Fotos angucken waren. Er hätte ja nur ein Sandwich geholt… er lachte und bleckte die Zähne. Er war mir immer noch unsympathisch.
Im Laufe der Fahrt wurde ich wieder etwas lockerer. Der Taxifahrer erzählte uns von seiner Familie, von denen alle bis auf einen Sohn in der Tourismusbranche arbeiten. Sein Bruder fährt auch Taxi, seine Frau putzt in unserem Hotel, seine Tochter organisiert Tagestouren… „Siehst Du, so einer betrügt einen doch nicht…“, sagte mein Vater. Er konnte schon wieder laut über den Vorfall lachen, ich noch nicht. Am Flughafen angekommen luden wir unsere Sachen aus und der Taxifahrer erhielt sein Geld. Das Trinkgeld fiel, auch wenn mein Vater schon wieder lachen konnte, knapp aus. Die Fahrt war aber ja auch kürzer gewesen, da wir nicht die 1,5 Stunden Tour gemacht hatten. Mit übertriebener Sorgfalt öffnete der Taxifahrer alle Türen, schaute unter die Sitze und fragte ob wir auch nichts vergessen hätten. Für mich war das Getue einfach nur noch suspekt und verdächtig. Nennt mich einen Angsthasen oder panisch, ich war froh als ich mit einem Kaffee in der Hand in der Abflughalle saß.


(Morgen erscheint Teil 4.)

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Teil 2: Abenteuer im Drei-Länder-Eck

(Gestern wurde Teil 1 veröffentlicht. Bitte Teil 1 zuerst lesen!)

Für den nächsten Tag hatte die Reiseleitung (also ich) die Wahl offen gelassen. Nachdem wir auf dem Ausguck über das 3-Länder-Eck und die beiden Grenzflüsse waren konnten wir entweder die brasilianische Seite der Fälle besuchen, die nicht so spektakulär aber auch sehr schön sein sollte, oder (vielleicht auch ein bisschen des Stempels und der 3-Länder-in-3-Tagen Story) nach Paraguay rüber zufahren um sich das auch mal anzuschauen und im Mona Lisa Shoppingcenter, von dem meine brasilianischen Kollegen auf Grund der „spottbilligen Preise“ schwärmten, ein bisschen einkaufen zu gehen.
Meine Mutter fand die Idee Paraguay zu sehen interessant und so saßen wir kurz darauf in einem Taxi. Um nicht durch Brasilien durchreisen zu müssen, nahmen wir die etwas teurere Route: Mit der Fähre. Die Autofähre fuhr ein Stück den Rio Iguazu, zwischen Brasilien und Argentinien, hinunter und überquerte dann den Rio Paraná (der Paraguay sowohl von Argentinien als auch von Brasilien trennt). Die Fahrt dauerte nicht sehr viel länger als wenn man mit der Fähre den Rhein überquert, aber wir landeten in einer anderen Welt. Schon auf der Fähre sahen wir lauter Kleinbusse, beladen mit Zwiebeln, Bier und Mehl. „Eben alles was in Argentinien billiger ist und in Paraguay schwer zu bekommen“, kommentierte unser Taxifahrer Daniel Ferrer, der wohl deutscher aussah als wir selbst (er hatte, wie wir erfuhren eine Deutsche Mutter).
Wer von euch die Auswanderer auf VOX gesehen hat, die nach Paraguay abgedüst sind (und nach ihrer Ankunft aufgeregt in die Kamera sagten „Oh mein Gott, das ist ja ein dritte Welt land hier!!! …wie ist denn eigentlich der Wechselkurs zum Euro?“) hätte die Landschaft wieder erkannt: Ungeteerte Straßen, Pferde und Kühe die fröhlich im Dorf spazieren gehen, alte Opas die mit dem Bier in der Hand vorm zerfallenen, fensterlosen Haus sitzen, und Wäsche die zum trocknen auf dem (Stacheldraht-)Zaun hängt. „Nein“, bestätigte auch Daniel, „abends würde ich hier nicht allein lang fahren… manchmal verschwinden auch Kinder. Tagsüber ist Paraguay ein Land zum einkaufen, um 4 Uhr ist keiner mehr auf der Straße… die Kriminalität geht bis zum Organhandel“.

Angekommen in der Stadt Ciudad del Este fielen meinem Vater als erstes einmal die vielen Autos ohne Nummernschilder auf. Auf Versicherungen werde kein Wert gelegt, erzählte und Daniel, und wenn er als Argentinier ein Auto aus Paraguay ankatschen würde so würde er zahlen müssen. Würde sein Auto von einem anderen angefahren aber wohl auch, denn die Polizei interessiere dies nicht da sie mit den Verbrechern unter einer Decke stecke und er als Ausländer habe da eh wenig Rechte. Kam mir bekannt vor. Ich erinnerte mich an die Tatsache dass ich in Brasilien auch Schuld am Unfall hatte, weil ich Ausländerin war.
Nicht viel später parkten wir das Taxi auf einem „sicheren“ Parkplatz. Ob man nicht direkt bis zum Shopping Center fahren könnte, fragte ich. Nein, er könne sein Auto ja nicht „irgendwo“ stehen lassen, erklärte mir unser Fahrer. Also stapften wir durch die mit mobilen Ständen und Menschen überfüllten Straßen Ciudad del Estes und ganz wohl war mir bei der Sache nicht. Hinter mir hörte ich meinen Vater sagen „Ich trau’ mich hier gar nicht ein Foto zu machen…“ Nein, besser nicht, dachte ich mir, aber schon in dem Moment hörte ich meine Mutter: „Ach, da kenn ich nix!“ Ich dreht mich um und da stand sie, mitten auf der chaotischen Straße, einen Arm weit von sich gestreckt und den kleinen Fotoapparat locker in der Hand, nicht einmal das Bändel ums Handgelenk geschlungen. Ich werde ihr dankbar sein für dieses Foto wenn es in meinem Reisealbum landet, so wie für viele Fotos die sie in meinem Leben gemacht hat, ganz vorne in der ersten Reihe stehend und mit extra gutem Blitz wenn es mir am liebsten gewesen wäre sie säße ganz hinten und würde bloß kein Aufheben um meine Person machen. Aber ich konnte Mama in dem Moment nicht anders als sie laut anzufahren, den Fotoapparat wegzustecken. Sicherlich bestand für sie in all dem Chaos keine Gefahr, aber vor meinem inneren Auge sah ich schon einen Mopedfahrer vorbeibrausen und die Kamera schnappen. Das wäre schade um die Fotos der letzten Woche gewesen und auch schade um den Apparat. „Jajaja, ich pack’s ja schon weg…“ sagte sie mit halb erschrockenem, halb frechem Gesicht.
Angekommen am Shoppingcenter verabredeten wir uns mit unserem Taxifahrer für 1,5 Stunden später. Es wurde uns schnell klar, dass die Lobhudelei der sensationellen Preise durch meine brasilianischen Kollegen für Europäer keineswegs zutraf. Die Produkte waren zwar rund ein Drittel (im Falle WII sogar 75%) billiger als in Brasilien, aber in Deutschland oder den USA ist es dennoch wesentlich günstiger. Trotzdem fanden wir zwei Schnäppchen: Ein flaschengrünes Lacoste Poloshirt für meinen Papa und eine lila Kapuzenjacke von Puma für mich. Dann setzten wir uns in ein Café, tranken ein Wasser, aßen ein Sandwich und beobachteten wie die brasilianische Schickeria Designerwaren auswählte. „Aber der da ist kein Brasilianer“, meine Mama zeigte auf einen dicken Herrn mit goldener Rolex, „guck, der hat da die paraguayische Flagge auf dem Hemd!“ – „Das ist nicht die Flagge von Paraguay, Mama… das ist die Flagge von Tommy Hilfiger!“ – „Oh…“

Wieder sicher und heil auf der Fähre angekommen musste ich etwas enttäuscht feststellen, dass wir in Paraguay an der Grenze gar keine Stempel in unsere Pässe bekommen hatten. „Paraguay… es Paraguay.“, war der Kommentar unseres Taxifahrers dazu. Aber was soll’s. Wir hatten einen spannenden Tag und können behaupten in 3 Tagen 3 Länder in Südamerika besichtigt zu haben.
Den Rest des Tages verbrachten wir halb dösend oder lesend am Pool des Hotels. Wie schön wenn man sich von einem Abenteuer so luxuriös erholen kann.

Zum Abendessen waren wir in einem superschönen Lokal wo mein Vater ersteinmal kurz über die Preise schockiert war, bis er bemerkte dass man ja von Peso zu Euro durch etwas mehr als 5 teilen muss, und nicht durch etwas mehr als zwei wie beim Brasilianischen Real. Die Portionen, gerade das Fleisch, waren allerdings dennoch so gewaltig, dass man sich locker zu zweit etwas hätte teilen können.

(Morgen erscheint Teil 3. Da ich nur die Fotos aus dem Naturpark Iguazu besitze, werden die anderen in ein paar Wochen nachgereicht)

Dienstag, 19. Oktober 2010

Mama und Papa zu Besuch! - Teil 1: Ankunft und Wasserfälle



Meine Eltern sind am Vormittag des 08. Oktober, mit ein wenig Verspätung, in Goiânia gelandet. Eigentlich hätte ich an dem Tag ein Seminar zu sicherem und vorrausschauendem Autofahren gehabt, was ich aber abgesagt hatte um den Consultant des Zertifizierungsprogramms nachmittags in einer anderen Stadt abzuholen und zum Flughafen zu fahren. Diese Fahrerei wurde zwar auch wieder abgesagt (der Consultant wurde bis in mein Büro gebracht) aber ironischer Weise wurde ich als ich nicht beim Seminar war sondern meine Eltern abholte an einer roten Ampel geblitzt. Eine rote Ampel zu überfahren ins in Brasilien eigentlich manchmal sogar normal. In Deutschland ist es grober Unfug. In beiden Ländern ist es aber, wenn man geblitzt wird sehr teuer. Währen man in Deutschland noch eine Reaktionszeit mit einbezieht, wird hier geblitzt sobald die Ampel von Gelb auf Rot springt, selbst wenn man nur noch mit dem Hinterreifen über die Induktionsschleife rutscht. Genau deshalb bin ich mit so was auch eigentlich besonders vorsichtig und wenn ich die Blitze sehe stehe ich meist schon bei Gelb. Dummerweise aber nicht dieses Mal. Ich habe nicht einmal gesehen dass es eine Ampel gab. Ein LKW der vor mir fuhr verdeckte die Sicht auf die hängende, auf der anderen Straßenseite befestigte, Laterne und somit sah ich das rote Leuchten erst direkt über meinem Kopf als ich schon längst über die Kreuzung war. Ich bin ja mal gespannt ob was ankommt.
Der Freitag war noch ganz relaxt. Wir sind erstmal nach Hause um zu duschen und dem Wetter angemessene (kürzere) Kleidung anzuziehen und dann haben wir mit meiner Kollegin Sthela zu Mittag gegessen. Danach konnten meine Eltern ein Nickerchen machen während ich unseren Consultant in Empfang nahm, mit ihm die vergangene Woche durchsprach und ihn dann, an der unsäglichen, versteckten Ampel vorbei, zum Flughaften brachte. Abends mussten meine Eltern sich dann meinen Gesangsunterricht antun… Ich war so nervös, dass ich kaum einen Ton raus brachte und selbst das Aufwärmen der Stimme musste drei oder vier Töne früher (tiefer) beendet werden als normal. Oh je.

Samstag und Sonntag haben wir uns erstmal die Gegend (selbstverständlich und zum Verdruss meines Vaters inklusive Shopping Center) angeschaut. Sie haben ein bisschen was von dem Land zu sehen bekommen, dass ich während meiner Arbeit so durchfahre und wir waren, mit vielen anderen Wochenendausflüglern, an einem Wasserfall mit Badesee versteckt in den Hügeln von Pirénopolis. Dazu ein bisschen relaxen auf dem Balkon, ausgiebig mit vielen Früchten frühstücken und im Park Kokosnüsse schlürfen.

Am Montag ging es dann richtig los. Früh aufstehen und über Sao Paulo Guarulhos nach Foz do Iguacu, im Drei-Länder-Eck von Südamerika. In Sao Paulo hatten wir einige Stunden Aufenthalt, aber das war gar nicht so schlimm. Denn währen eine goldene American Express Card in Deutschland, Europa, gar nichts Besonderes ist, hat man in Brasilien damit Zutritt zu speziellen American Express Lounges. So konnten wir unsere Zeit mit gutem Kaffee, Internet, oder lesend auf dem Sofa vertrödeln.

Von Foz do Iguacu aus (Brasilien) hat uns dann ein Taxi nach Puerto Iguazu (Argentinien) gefahren, wo ich uns ein schönes Hotel mit kleinen Apartment Bungalows reserviert hatte. Die Grenzüberquerung per Taxi war kein Problem, dennoch wurde mir klar wie froh wir über das Schengener Abkommen und die stempelfreie Herumreiserei in Europa sein können… Angekommen und eingerichtet machten wir uns auf den Weg das Städtchen (mit gerade einmal 45.000 Einwohnern wesentlich kleiner als das mit 300.000 Einwohnern belebtere, aber auch kriminellere Foz do Iguacu). Es dauerte ein Weilchen bis wir eine Bank gefunden hatten. Danach wussten wir irgendwie nicht so Recht und waren außerdem durstig, so dass wir uns kurzer Hand auf die Veranda eines Restaurants gesetzt haben um etwas zu trinken. Hier blieben wir dann auch noch zum Abendessen und fielen dann relativ früh ins Bett um rechtzeitig aufzustehen um zu den Wasserfällen zu fahren.

Nachdem Frühstück stoppten wir den Bus „El Practico“ direkt an der Straße vor unserem Hotel und stiegen etwa 45 Minuten später, nach einer rasanten Fahrt, vor dem Eingang des Naturparks wieder aus. Schnell waren wir am einzigen Kartenschalter angekommen. Wie sich herausstellte konnte man dort aber nicht mir Karte bezahlen sondern nur und ausschließlich mit Pesos. Und weit und breit keine Bank. Wie sich aber dann herausstellte, befindet sich im Park ein Bankautomat und würde ich meine ID hinterlegen könnte ich auch durchgehen und Geld abheben. Ich trabte also los, mit meiner brasilianischen EC Karte in der Hand, fand nach einigem Suchen die Bank und war endlich an der Reihe. „Sie haben eine ungültige Aktion gewählt. Wollen Sie eine andere Aktion durchführen?“ – Meine Karte funktionierte nicht. Ein häufiges Problem in Südamerika, dass Karten mal hier und mal da funktionieren, aber in diesem Moment, an der einzigen Bank weit und breit, hatte ich nicht damit gerechnet. Ich ging also wieder zurück. Meine Mutter hatte nur ihre Kreditkarte dabei und wusste die PIN nicht, das war also auch keine Option. Zum Glück hatte mein Vater aber noch eine EC Karte der Sparkasse Köln/Bonn in der Tasche, mit der das Abheben glückte. Endlich hatten wir Pesos, und da ich in Brasilien lebe bekam ich sogar noch einen Rabatt von etwa 50%. Leicht verspätet traten wir in den Park und machten uns auf die Suche nach den Fällen.
Schon auf den ersten paar Metern kam uns eine ganze Familie Coatis [Ko-Ah-Tihs] entgegen. Die tagaktiven, aus der Familie der Waschbären stammenden Tiere sollten uns noch öfter begegnen, allerdings nicht mehr als Familie im Wald sondern unter die Touristen gemischt die auf Plastikstühlchen in der Nähe der Snackbar sitzen: Die Tiere, wie die Nordamerikanischen Waschbären auch, kramen gern im Müll und mögen „Menschenfutter“ so sehr, dass sie dafür sogar kratzen und beißen würden.
Die Wasserfälle wurden von mal zu mal schöner und imposanter und die schiere Masse des Wassers (1500 Badewannen voll pro Sekunde) die über den Rand der mehr als 150 kleinen und großen Wasserfälle fiel war wunderschön anzuschauen. Wir verbrachten den ganzen Tag im Park und sahen zum krönenden Abschluss den Teufelsschlund „Garganta del Diablo“, den größten Wasserfall des Iguazu Flusses. Iguazu kommt übrigens aus der lokalen Indianersprache und heißt so viel wie „großes Wasser“. Kann man so unterschreiben, denke ich…

(Teil 2 erscheint morgen. Fotos kommen heute Abend noch nach)