Mittwoch, 20. Oktober 2010

Teil 2: Abenteuer im Drei-Länder-Eck

(Gestern wurde Teil 1 veröffentlicht. Bitte Teil 1 zuerst lesen!)

Für den nächsten Tag hatte die Reiseleitung (also ich) die Wahl offen gelassen. Nachdem wir auf dem Ausguck über das 3-Länder-Eck und die beiden Grenzflüsse waren konnten wir entweder die brasilianische Seite der Fälle besuchen, die nicht so spektakulär aber auch sehr schön sein sollte, oder (vielleicht auch ein bisschen des Stempels und der 3-Länder-in-3-Tagen Story) nach Paraguay rüber zufahren um sich das auch mal anzuschauen und im Mona Lisa Shoppingcenter, von dem meine brasilianischen Kollegen auf Grund der „spottbilligen Preise“ schwärmten, ein bisschen einkaufen zu gehen.
Meine Mutter fand die Idee Paraguay zu sehen interessant und so saßen wir kurz darauf in einem Taxi. Um nicht durch Brasilien durchreisen zu müssen, nahmen wir die etwas teurere Route: Mit der Fähre. Die Autofähre fuhr ein Stück den Rio Iguazu, zwischen Brasilien und Argentinien, hinunter und überquerte dann den Rio Paraná (der Paraguay sowohl von Argentinien als auch von Brasilien trennt). Die Fahrt dauerte nicht sehr viel länger als wenn man mit der Fähre den Rhein überquert, aber wir landeten in einer anderen Welt. Schon auf der Fähre sahen wir lauter Kleinbusse, beladen mit Zwiebeln, Bier und Mehl. „Eben alles was in Argentinien billiger ist und in Paraguay schwer zu bekommen“, kommentierte unser Taxifahrer Daniel Ferrer, der wohl deutscher aussah als wir selbst (er hatte, wie wir erfuhren eine Deutsche Mutter).
Wer von euch die Auswanderer auf VOX gesehen hat, die nach Paraguay abgedüst sind (und nach ihrer Ankunft aufgeregt in die Kamera sagten „Oh mein Gott, das ist ja ein dritte Welt land hier!!! …wie ist denn eigentlich der Wechselkurs zum Euro?“) hätte die Landschaft wieder erkannt: Ungeteerte Straßen, Pferde und Kühe die fröhlich im Dorf spazieren gehen, alte Opas die mit dem Bier in der Hand vorm zerfallenen, fensterlosen Haus sitzen, und Wäsche die zum trocknen auf dem (Stacheldraht-)Zaun hängt. „Nein“, bestätigte auch Daniel, „abends würde ich hier nicht allein lang fahren… manchmal verschwinden auch Kinder. Tagsüber ist Paraguay ein Land zum einkaufen, um 4 Uhr ist keiner mehr auf der Straße… die Kriminalität geht bis zum Organhandel“.

Angekommen in der Stadt Ciudad del Este fielen meinem Vater als erstes einmal die vielen Autos ohne Nummernschilder auf. Auf Versicherungen werde kein Wert gelegt, erzählte und Daniel, und wenn er als Argentinier ein Auto aus Paraguay ankatschen würde so würde er zahlen müssen. Würde sein Auto von einem anderen angefahren aber wohl auch, denn die Polizei interessiere dies nicht da sie mit den Verbrechern unter einer Decke stecke und er als Ausländer habe da eh wenig Rechte. Kam mir bekannt vor. Ich erinnerte mich an die Tatsache dass ich in Brasilien auch Schuld am Unfall hatte, weil ich Ausländerin war.
Nicht viel später parkten wir das Taxi auf einem „sicheren“ Parkplatz. Ob man nicht direkt bis zum Shopping Center fahren könnte, fragte ich. Nein, er könne sein Auto ja nicht „irgendwo“ stehen lassen, erklärte mir unser Fahrer. Also stapften wir durch die mit mobilen Ständen und Menschen überfüllten Straßen Ciudad del Estes und ganz wohl war mir bei der Sache nicht. Hinter mir hörte ich meinen Vater sagen „Ich trau’ mich hier gar nicht ein Foto zu machen…“ Nein, besser nicht, dachte ich mir, aber schon in dem Moment hörte ich meine Mutter: „Ach, da kenn ich nix!“ Ich dreht mich um und da stand sie, mitten auf der chaotischen Straße, einen Arm weit von sich gestreckt und den kleinen Fotoapparat locker in der Hand, nicht einmal das Bändel ums Handgelenk geschlungen. Ich werde ihr dankbar sein für dieses Foto wenn es in meinem Reisealbum landet, so wie für viele Fotos die sie in meinem Leben gemacht hat, ganz vorne in der ersten Reihe stehend und mit extra gutem Blitz wenn es mir am liebsten gewesen wäre sie säße ganz hinten und würde bloß kein Aufheben um meine Person machen. Aber ich konnte Mama in dem Moment nicht anders als sie laut anzufahren, den Fotoapparat wegzustecken. Sicherlich bestand für sie in all dem Chaos keine Gefahr, aber vor meinem inneren Auge sah ich schon einen Mopedfahrer vorbeibrausen und die Kamera schnappen. Das wäre schade um die Fotos der letzten Woche gewesen und auch schade um den Apparat. „Jajaja, ich pack’s ja schon weg…“ sagte sie mit halb erschrockenem, halb frechem Gesicht.
Angekommen am Shoppingcenter verabredeten wir uns mit unserem Taxifahrer für 1,5 Stunden später. Es wurde uns schnell klar, dass die Lobhudelei der sensationellen Preise durch meine brasilianischen Kollegen für Europäer keineswegs zutraf. Die Produkte waren zwar rund ein Drittel (im Falle WII sogar 75%) billiger als in Brasilien, aber in Deutschland oder den USA ist es dennoch wesentlich günstiger. Trotzdem fanden wir zwei Schnäppchen: Ein flaschengrünes Lacoste Poloshirt für meinen Papa und eine lila Kapuzenjacke von Puma für mich. Dann setzten wir uns in ein Café, tranken ein Wasser, aßen ein Sandwich und beobachteten wie die brasilianische Schickeria Designerwaren auswählte. „Aber der da ist kein Brasilianer“, meine Mama zeigte auf einen dicken Herrn mit goldener Rolex, „guck, der hat da die paraguayische Flagge auf dem Hemd!“ – „Das ist nicht die Flagge von Paraguay, Mama… das ist die Flagge von Tommy Hilfiger!“ – „Oh…“

Wieder sicher und heil auf der Fähre angekommen musste ich etwas enttäuscht feststellen, dass wir in Paraguay an der Grenze gar keine Stempel in unsere Pässe bekommen hatten. „Paraguay… es Paraguay.“, war der Kommentar unseres Taxifahrers dazu. Aber was soll’s. Wir hatten einen spannenden Tag und können behaupten in 3 Tagen 3 Länder in Südamerika besichtigt zu haben.
Den Rest des Tages verbrachten wir halb dösend oder lesend am Pool des Hotels. Wie schön wenn man sich von einem Abenteuer so luxuriös erholen kann.

Zum Abendessen waren wir in einem superschönen Lokal wo mein Vater ersteinmal kurz über die Preise schockiert war, bis er bemerkte dass man ja von Peso zu Euro durch etwas mehr als 5 teilen muss, und nicht durch etwas mehr als zwei wie beim Brasilianischen Real. Die Portionen, gerade das Fleisch, waren allerdings dennoch so gewaltig, dass man sich locker zu zweit etwas hätte teilen können.

(Morgen erscheint Teil 3. Da ich nur die Fotos aus dem Naturpark Iguazu besitze, werden die anderen in ein paar Wochen nachgereicht)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen