Donnerstag, 21. Oktober 2010

Teil 3: Das Abenteuer geht weiter!

(In den letzten beiden Tagen wurden Teil 1 & 2 veröffentlicht. Diese sollten zuerst gelesen werden.)

Am nächsten Tag reisten wir schon wieder weiter. Gepackt, ausgecheckt und gefrühstückt, hatten wir die Idee uns noch den Itaipú Damm anzuschauen. Das größte Wasserkraftwerk der Welt versorgt, laut Lonelyplanet, Paraguay mit 100% und Brasilien mit immerhin 25% der von den Ländern jeweils gebrauchten jährlichen Energie. Was ein echter Ingenieur ist, wie mein Papa, kann ja nicht nach Hause fahren ohne nicht da gewesen zu sein… Ich war mit mir selbst nicht einig darüber, ob es eine gute Idee sei die Koffer im Taxi zu lassen während wir den Damm besichtigen, aber am Taxistand war uns versichert worden dass dies quasi eine Standardtour ist und dann der Taxifahrer vor dem Eingang wartet bis wir wieder da sind und uns dann zum Flughafen fährt.
Mein Vater besorgte uns also einen Taxifahrer, wir luden die Koffer ein, und ab ging die Post. Es dauerte keine 20 Minuten bis der brasilianische Taxifahrer jegliche Sympathie verspielt hatte. Mein Vater fragte ihn, warum sein Renault Mégane (BJ 2007) nach nur 3 Jahren schon 250.000km gefahren sei. Er würde häufig Passagiere nach Buenos Aires fahren (das sind rund 1300km für eine Strecke), denn es kämen über Paraguay so viele Chinesen ohne Papiere nach Argentinien und die wollten in die Stadt. „Human Trafficking, verstehst Du? Die zahlen gut.“ Ich konnte gar nicht glauben was ich da grade gehört hatte, aber ich sagte nichts, denn ich war mir sicher dass weder meine Mutter noch mein Vater die Worte „Tráfico Humano“ herausgehört hatten.

Die Grenzüberquerung nach Brasilien verlief ziemlich ohne Probleme, auch wenn die Dame am Schalter meinen brasilianischen „Ausländer-Personalausweis“ noch nie gesehen hatte und sich deshalb nicht sicher war was sie damit anfange (und wie zum Henker sie mich eintragen) solle. Am Ende wurde ihr aber geholfen und dann war alles gut.
Statt rechts zum Flughafen bogen wir linksrum zum Staudamm ab. Dort angekommen mussten wir feststellen, dass man sich den Staudamm leider nicht allein anschauen kann. Es gibt organisierte, anderthalbstündige Busfahrten mit Filmvorführung und diese hätte zu lange gedauert, dann hätten wir unseren Flug verpasst.
Damit wir nicht gänzlich uninformiert wieder abfahren mussten, durften wir in den Vorraum des Kinos um uns die Fotos und Modelle anzuschauen. Unser Taxifahrer wartete draußen. Als wir 10 Minuten später wieder raus kamen (so viel gab es nun wirklich nicht zu sehen) war das Taxi weg. Es wartete nicht, es war nicht auf dem Parkplatz, es war wie vom Erdboden verschluckt. Weggefahren. Mit unseren Koffern.

Selten war ich so sauer in meinem Leben wie in diesem Moment. Die Wut überkam mich so dermaßen, dass ich die schönen Broschüren mit Fotos einer Ausstellung über Brasilien mit voller Wucht auf den Boden knallte. Ich bin eigentlich kein jähzorniger Mensch, aber über unsere eigene Blödheit aufgeregt brannten bei mir die Sicherungen durch. Ich fuhr meinen Vater an, dass dies ja wohl eine Scheißidee gewesen sei und stiefelte los zum Wachpersonal. Meine Mutter konnte es nicht glauben, und mein Vater blieb (obwohl eigentlich er derjenige ist der sich schnell mal ärgert) sehr gelassen, als belächle er die Situation aus Ansicht eines Dritten, amüsiert auf den „ältesten Trick der Welt hereingefallen zu sein“. Er fragte bei ein paar Ticketverkäufern rum, aber keiner hatte das Taxi gesehen. „Ha! Dann nehm’ ich ein Taxi zurück nach Argentinien. Den find ich den Kerl…“ sagte mein Vater. Zum Glück hatten wir alles wichtige, Pässe und Geld, in unseren Rucksäcken, aber dennoch schwankte ich zwischen blinder Wut und Ungläubigkeit.
Angekommen beim Wachpersonal am Eingang zum Damm sprudelte mein Portugiesisch aus mir heraus als hätte ich nie eine andere Sprache gesprochen. Ich erklärte unseren Verdacht und der Wachmann rief einen Grenzbeamten namens Oliveira an der Grenze nach Argentinien an. Dort käme er nicht durch, es würden nun alle schwarzen Méganes angehalten, aber sollte er über die Brücke nach Paraguay fahren dann hätten wir wohl Pech. Ein paar Minuten später, es erschien mir wie Stunden, kam einer der Ticketverkäufer zu uns rüber. Das sei noch nie passiert, versicherte er meinem Vater in gebrochenem Englisch, er wäre bestimmt nur etwas essen gegangen, dass machten die meisten Taxifahrer so wenn sie warten. Ich glaubte ihm nicht, dass dies noch nie passiert sei, dafür wusste der Wachmann viel zu genau mit wem er reden musste und was zu tun war… aber es gab ein bisschen Hoffnung.
10 Minuten später tauchte unser Taxifahrer tatsächlich wieder auf. Meine Wut verblasste etwas, aber ich war immer noch sauer. Der Wachmann rief wieder bei den Grenzbeamten an um alles okay zu melden, ermahnte mich aber sicher zu gehen dass noch alles in den Koffern ist. Es wäre nicht neu, wenn etwas Wertvolles rausgenommen worden wäre. Zum Glück war nichts rausgenommen worden, aber ich fauchte den Taxifahrer trotzdem an dass er nicht einfach ne viertel Stunde abhauen könnte ohne uns Bescheid zu sagen, zumal wie nur kurz die Fotos angucken waren. Er hätte ja nur ein Sandwich geholt… er lachte und bleckte die Zähne. Er war mir immer noch unsympathisch.
Im Laufe der Fahrt wurde ich wieder etwas lockerer. Der Taxifahrer erzählte uns von seiner Familie, von denen alle bis auf einen Sohn in der Tourismusbranche arbeiten. Sein Bruder fährt auch Taxi, seine Frau putzt in unserem Hotel, seine Tochter organisiert Tagestouren… „Siehst Du, so einer betrügt einen doch nicht…“, sagte mein Vater. Er konnte schon wieder laut über den Vorfall lachen, ich noch nicht. Am Flughafen angekommen luden wir unsere Sachen aus und der Taxifahrer erhielt sein Geld. Das Trinkgeld fiel, auch wenn mein Vater schon wieder lachen konnte, knapp aus. Die Fahrt war aber ja auch kürzer gewesen, da wir nicht die 1,5 Stunden Tour gemacht hatten. Mit übertriebener Sorgfalt öffnete der Taxifahrer alle Türen, schaute unter die Sitze und fragte ob wir auch nichts vergessen hätten. Für mich war das Getue einfach nur noch suspekt und verdächtig. Nennt mich einen Angsthasen oder panisch, ich war froh als ich mit einem Kaffee in der Hand in der Abflughalle saß.


(Morgen erscheint Teil 4.)

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