Mittwoch, 1. September 2010

Tischmanieren

Ich glaube ich habe schon öfter moniert, dass die Tischmanieren in Brasilien zu wünschen übrig lassen. Und ich rede hier nicht davon, in welcher Reihenfolge das Besteck benutzt wird oder wie man Austern öffnet und Hummer halbiert. Es geht um Kleinigkeiten, die ich gelernt habe zu ignorieren, aber deren tiefe Verankerung in meinem Verhalten sich doch immer wieder bemerkbar macht.

So wünsche ich zum Beispiel „Guten Appetit!“ und ernte fragende Blicke, oder lege mein Besteck auf dem Teller zusammen wenn ich fertig bin und werde tatsächlich gefragt wieso.

Meine Eltern scherzen gerne, dass ich mit 3 Jahren bessere Tischmanieren hatte als heute. Sie erzählen die Geschichte, wie ich als Kleinkind im Restaurant in Spanien schon wusste wie man sich zu benehmen und wie man zu essen hat und dass sogar irgendwer erwähnte wie toll das Kind das alles schon kann.
Zugegeben, wenn es heute Abendbrot zu Hause gibt setze ich schon mal in Gedanken den Ellbogen auf (und werde sogleich von meinem lieben Paps ermahnt, obwohl er höchstwahrscheinlich erst 5 Minuten zuvor noch mit den Ellbogen auf dem Tisch sein Stück Weißbrot über dem Teller zerrissen hat) oder lege, weil ich nicht darüber nachdenke, Messer und Gabel für alle falsch rum hin weil ich das Messer lieber in der linken Hand halte. Aber immer hin weiss ich wie ich Messer und Gabel zu halten habe, auch wenn in der falschen Hand. Ich schliesse meine Hand nicht in einer Faust um das Besteck, halte meine Hände über der Tischplatte und nicht darunter versteckt, und schneide nicht alles schon mal klein um dann nur noch mit der Gabel das Gemüse-Fleisch-Kohlehydrat-Gemisch über den Teller zu schieben bis dieselbige gut gefüllt zum Mund, bzw. der Mund zur Gabel geführt werden kann.
Wobei man sagen muss, dass das Kleinschneiden sämtlicher sich auf dem Teller befindlichen Zutaten in sofern in Brasilien angebracht ist, als dass nun mal alles zusammen und durcheinander gegessen wird. Eine Mittagsportion die sich aus Lasagne, Reis, Bohnen, Fischbällchen, Pommes, Steak, Salat, Früchten und frittiertem Käse zusammensetzt ist keine Seltenheit und die Explosion der Aromen scheint nur dann perfekt wenn man alles durcheinander isst. Hab ich mir zu Mindest sagen lassen, denn auch wenn ich großer Fan von „untereinander“-Gerichten bin (mein Favorit: Kartoffeln und Möhren untereinander) geht mir das dann doch zu weit.

Aber ich schweife ab, denn wie gesagt, dass sind alles Dinge an die man sich gewöhnen kann. Andere Länder andere Sitten. Das einzige was ich wirklich nicht akzeptieren kann, ist das beim essen nicht gewartet wird.

Wer sitzt, fängt an zu essen. Beim Mittagessen mit Buffet ist also der erste schon fertig wenn der letzte der Gruppe an den Tisch kommt. Das geht soweit, dass bei meiner Freundin zu Hause die Mutter noch nichts gegessen hat wenn alle fertig sind, weil sie dafür zuständig ist alle zu servieren und der erste ja schon fertig ist wenn der letzte seinen Teller gereicht bekommen hat, und dann muss ja sofort die zweite Runde losgehen. Selbst wenn alles auf dem Tisch steht serviert sich der Vater nicht selbst sondern fragt seine Frau, die womöglich noch aufstehen und um den Tisch laufen muss um zu servieren. Und wenn dann endlich alle was haben und sie sich setzt und auch isst, stehen alle auf sobald sie fertig sind. Lassen alles stehen und liegen und gehen Fernsehen. Dann kann sie allein zu Ende essen, aufräumen und spülen.

Selbst im Fernsehen, in der neuen Werbung für tolles Wunderpulver welches Tiefkühlbohnen beim kochen die Farbe zurück gibt, nutzt diesen Umstand. Die Tochter und der Vater kommen mittags durch die Tür und strahlen die Mutter an, wie gut es riecht und wie toll die Bohnen aussehen. Die Mutter sagt daraufhin sie schmeckten sogar sehr gut, man solle nur den Sohn ansehen der schon aufgegessen hat. Der Teller sei leer geputzt. Daraufhin serviert die Mutter Tochter und Vater das essen und geht zurück in die Küche und sagt sie käme dann auch gleich zum essen. Tochter und Vater hauen rein, und dann kommt ein Schnitt zur tollen Marke und dem Werbeslogan.

In fast allen Werbespots für Gerichte ist es so ähnlich. Haltet mich für spießig, aber jedes Mal wenn ich diese Werbung oder ähnliche Werbung sehe fällt mir das auf und ich frage mich warum hier nie zusammen am Tisch gegessen wird, bzw. nicht richtig zusammen.

Tischmanieren sind wohl kulturelle Güter, so fest verankert dass man sich schämt wenn andere sich so daneben benehmen. Kulturelle Güter, so fest verankert, dass man das sich zusammen reissen muss um den Mund zu halten und nicht zu versuchen Erwachsene Menschen, mit anderen Werten wenn es um Tischmanieren geht, schnell noch umzuerziehen. (Und das bei meinem sowieso schon starken Drang des Besserwissens! Stellt euch vor!).

Ich bemühe mich also, mich zu benehmen und mich anzupassen, meine Tischmanieren zu handhaben wie ich sie gelernt habe aber mir nicht anmerken zu lassen dass mir was gegen den Strich geht.
Mein „Guten Appetit!“ werde ich allerdings nicht los. Sobald ich Messer und Gabel in die Hand nehme, sage ich automatisch „Guten Appetit!“ so wie man nach dem Aufstehen „Guten Morgen!“ wünscht und zum zu Bett gehen eine „Gute Nacht!“.
Ich nutze dies dann geschickt, um zu erklären dass man sich in Deutschland „Guten Appetit“ wünscht wenn alle gemeinsam anfangen zu essen. Vielleicht kann ich den ein oder anderen ja doch noch davon überzeugen…

3 Kommentare:

  1. Ist in Singapur nicht anders :) Cooler Post!

    AntwortenLöschen
  2. Dir ist sicher auch aufgefallen, dass der Durchschnittsbrasilianer Messer und Gabel grundsätzlich in der falschen Hand hält, oder? Das fand ich sehr interessant... Und die Manie alles kleinzuschneiden, eine Hand unter dem Tisch zu verstecken und sich dann alles einhändig reinzuschaufeln kommt von den Amis. Da gucken sie sich leider nicht immer die wertvollsten Dinge ab ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Echt? Nee, das ist mir nicht aufgefallen... ich halte aber selbst immer Messer links, das ist ja auch irgendwie verkehrt. :D
    Tjaja, die Amis. Immerhin haben die auch das tolle Kabelfernsehen abgeguckt, so dass ich das alles schön im Original gucken kann. Das könnte sich Deutschland auch mal abgucken... hehehe

    Danke für die Kommentare, Susi! Schön von Dir zu hören :) Hast Du Dich wieder gut eingelebt in Köln? Bjs!

    AntwortenLöschen